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Warmes Wasser aus dem Berg


Die heilende Kraft des “blauen Goldes” in Bad Ragaz


Steile Felswände und eine warme Quelle. Das ist die Taminaschlucht, aus der seit Jahrtausenden das körperwarme Thermalwasser sprudelt. Die Schlucht liegt in der Nähe von Bad Ragaz, eingebettet in die atemberaubende Landschaft der Ostschweiz.

Auf beiden Seiten der Schlucht erheben sich mächtige Felswände, die sich in siebzig Meter Höhe vereinen. Die Taminaschlucht ist durch die Kraft des kleinen Flusses Tamina entstanden: Das Wasser der Tamina hat sie über den Zeitraum von 15 000 Jahren tief in den Boden gegraben.

“Keine andere Schlucht in den Schweizer Alpen übertrifft sie in ihrer Grossartigkeit”, schrieb Albert Heim, der Doyen der Schweizer Geologie, im Jahr 1921, und der Dichter Rainer Maria Rilke schwärmte: “Kann man deutlicher segnen, als es hier die Natur, die überströmende tat?”

Die Taminaschlucht – ein Wallfahrtsort

Wasser hatte für die Menschen schon immer etwas Mystisches. Im Jahr 1242 entdeckten zwei Jäger die 36,5°C warme Quelle in der Nähe vom heutigen Bad Ragaz. In deren Wasser erkannten die Mönche des nahe gelegenen Benediktiner-Klosters Pfäfers eine heilende Wirkung. Als sich die Nachricht von der Quelle verbreitete, kamen Pilger aus nah und fern – so die Überlieferung.

Ganz nah an den Quellenaustritten schlug man bereits Vertiefungen in den Fels, die dann wie Wannen aussahen, in denen man dann badete. Die ersten Kurgäste wurden noch in Körben an Seilwinden in die Tiefe der Schlucht hinuntergelassen. Dort verweilten sie bis zu sieben Tagen – Tag und Nacht.

Quer über die Taminaschlucht wurden 1350 erste hölzerne Badehäuser gebaut. Die Nutzung zu Heilzwecken ist erstmals 1382 urkundlich belegt.


Paracelsus in Bad Ragaz

Der Arzt, Philosoph und Alchemist Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus, war der erste Bäderarzt in Pfäfers. Nachdem er 1535 eine Schrift über die therapeutische Wirkung des Quellwassers verfasst hatte, die sogleich gedruckt wurde, pilgerten immer mehr Menschen auf der Suche nach Heilung zur Tamina. Für den Abt des dortigen Klosters schrieb Paracelsus ein ärztliches Konsilium. Nach Paracelsus ist das Thermalbaden hilfreich bei rheumatischen und mechanischen Beschwerden, bei Stoffwechselstörungen,

Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie bei neurologischen Problemen.
Altes Bad Pfäfers: Die älteste barocke Badeanlage der Schweiz
1630 wurde das Quellwasser erstmals aus der Schlucht herausgeleitet, in hölzernen Kanälen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde die kaum zugängliche Schlucht immer besser erschlossen. Der Bau der barocken Bäderanlagen 1704 bis 1718 markierte den Höhepunkt dieser Entwicklung. In ihren Glanzzeiten beherbergten sie bis zu 300 Gäste.

Vier Kilometer Thermal-Wasserleitung

Nach Auflösung der Benediktinerabtei Pfäfers gingen Quelle und Badehäuser in das Eigentum des Kantons St. Gallen über. Dieser machte 1839 Bad Pfäfers über eine Strasse von Ragaz aus zugänglich. 1840 wurde eine vier Kilometer lange Wasserleitung gebaut, die das Thermalwasser direkt nach Bad Ragaz transportierte. Bald entstanden zahlreiche Hotels und Pensionen und der Aufstieg der Gemeinde Ragaz zum Weltkurort hat begonnen.

Bad Pfäfers wurde weiterhin betrieben, als Rehabilitationsklinik, und schloss erst 1969. Seine Aufgabe übernahm 1970 die Klinik Valens. Der 700-jährige Badbetrieb in der Taminaschlucht ging damit zu Ende. Die Quellwassergrotte und ein kleiner Thermalwasserbrunnen sind durch einen 1987 gebauten Stollen zugänglich. Ein gesicherter Weg führt 450 Meter in die Schlucht hinein.

Herkunft & Geologie

Im Vergleich zur Erdgeschichte umspannen diese paar Jahrhunderte kaum eine Millisekunde. Der harte Nummulitenkalk, der die an einigen Teilen geschlossene Decke der Taminaschlucht bildet, entstand am Grund von Flachmeeren in der Tertiärzeit vor 45 Millionen Jahren. Am Boden der Schlucht findet sich noch wesentlich älteres Gestein: Seewerkalk, gebildet in der Kreidezeit vor 70 Millionen Jahren. Und die Kraft der Tamina bleibt ungebrochen: Ohne künstliche Hindernisse würde sich der Fluss um jährlich bis zu zwei Zentimeter eintiefen.

Wie kommt das wohltuende Thermalwasser in die Schlucht?

Bis zu 8000 Liter Thermalwasser werden von der Therme Pfäfers pro Minute mit einer konstanten Temperatur von 36,5 Grad Celsius ausgeschüttet. Doch wie kommt das wohltuende Thermalwasser in die Schlucht?

Ganz geklärt ist die Frage nicht, aber so viel haben die Geologen bis heute geklärt: Das Wasser legt rund tausend Höhenmeter durch das Gebirge zurück, bis es in der Taminaschlucht ans dort düstere Tageslicht tritt. Das geschmacklich neutrale und kristallklare Thermalwasser unterscheidet sich markant vom Wasser der Tamina und auch vom Wasser anderer Quellen in der Region. Isotopenanalysen haben gezeigt, dass es auf einer Höhe von rund 1800 Metern versickert, um nach einer zehnjährigen Reise durchs Gestein um rund dreissig Grad erwärmt wieder an die Oberfläche zu treten. Aufgrund der wasserchemischen Eigenschaften gehen Geologen davon aus, dass der Ursprung des Pfäferser Thermalwassers im Gebiet des Tödi liegen muss.

Garantiert einen Ausflug wert

Die Taminaschlucht lässt die gewaltige Kraft des Wassers hautnah spüren – und die heilende dazu. Von April bis Oktober ist die Taminaschlucht von Bad Ragaz aus gut erreichbar. Der Weg zur Schlucht führt vorbei am Alten Bad Pfäfers, das noch bis 1969 in Betrieb war und heute drei Museen beherbergt: das Badmuseum, das Klostermuseum und die Paracelsus-Gedenkstätte. Die Museen sind während der Saison von ca. Ende April bis Ende Oktober täglich offen.

Übrigens: Das Fürstentum Liechtenstein liegt in unmittelbarer Nähe. (Aus dem Ausflugsprogramm des Jugendfestivals “APPLAUS für Dialog der Kulturen”).


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